Ratgeber: Interieur-Tuning (2019)

Nichts für den öffentlichen Straßenverkehr?

24.01.2019 18:07 Uhr

Text und Fotos: Tom Bauer


Dass sich Tuning-Maßnahmen nicht nur auf den Außenbereich beschränken müssen, ist vielen klar. Dass man durch falsche Umbauten im Innenraum jedoch auch in die Punkteränge fahren kann, nicht unbedingt. Von daher mal einige Basics zum Thema „Schöner Wohnen", um Ärger mit der Polizei zu vermeiden.

Vor allem in Verbindung mit Hi-Fi-Einbauten wird oftmals der gesamte Armaturenträger umgestaltet oder mit zusätzlichen Aufbauten versehen. Wer Wert auf mehr Information legt, montiert diverse Zusatzinstrumente oder Halterungen für Tablet-PCs und Navigationsgeräte. Alle diese Anbauten dürfen keine scharfen Kanten aufweisen. Ablagen und ähnliche Teile müssen so beschaffen sein, dass die Trägerteile keine vorstehenden Kanten bilden. Die Kanten von Ablagen müssen abgerundet und ebenfalls aus energieaufnehmendem Material gefertigt sein. Knöpfe und Schalter, die zwischen 3,2 und 9,5 Millimeter aus der Instrumententafel herausragen, müssen abgerundet sein. Der Krümmungsradius muss mindestens 2,5 Millimeter betragen. Ragen diese Teile weiter als 9,5 Millimeter aus der Instrumententafel heraus, müssen sie sich bei einem Aufprall ablösen oder eindrücken lassen. Dabei dürfen keine scharfen Kanten entstehen. Am Dach befestigte Teile wie Haltegriffe und Leuchten müssen einen Krümmungsradius von mindestens 3,2 Millimetern aufweisen. Alle anderen herausragenden Teile, an denen sich Insassen stoßen können, müssen in abgerundeten Kanten auslaufen, deren Krümmungsradius ebenfalls mindestens 3,2 Millimeter beträgt. Vor allem im oberen Bereich der A-Säule werden Halterungen und Montagen jeglicher Art sehr skeptisch betrachtet und immer wieder beanstandet.

Überrollkäfige

Überrollkäfige gibt es in Alu- oder Stahlausführung, und sie können im Fahrzeug verschraubt oder verschweißt werden. Der Einbau muss von einem Sachverständigen geprüft und eingetragen werden. Hierzu liegt in der Regel eine Materialbescheinigung beziehungsweise ein Herstellergutachten bei. Wichtig ist, dass sich auf dem Käfig ein Typenschild befindet, mit dem eine eindeutige Zuordnung möglich ist. Rohre und Streben müssen in Bereichen, an denen sich Insassen stoßen können, ausreichend gepolstert sein. Für die Art der Polsterung gibt es keine speziellen Vorschriften, doch muss es sich um eine wirksame Polsterung handeln, die auch stoßabsorbierend ist.

Sitze

Was beim Austausch des serienmäßigen Gestühls zu beachten gilt, lässt sich sehr kurz zusammenfassen: Die Sitze müssen eine Zulassung (zumeist ABE) besitzen und für die Verwendung im jeweiligen Fahrzeug zugelassen sein. Je nach Fahrzeug gibt es ein großes Angebot an Konsolen und Adaptern, die für den fachgerechten Einbau notwendig sind. Die entsprechenden Konsolen können über eine ABE oder ein Teilegutachten verfügen. Ist für ein Fahrzeug keine passende Konsole lieferbar, kann der Sitz eventuell per Einzelabnahme eingetragen werden. Rennsportsitze halten den Fahrer sicherer als ein herkömmlicher Sitz. Aufgrund ihrer Konstruktion fällt das Aussteigen, gegebenenfalls aber auch die Rettung der Insassen nach einem Unfall schwerer. Aus diesem Grund dürfen diese Sitze nicht einfach verbaut werden, wenn das Fahrzeug auf öffentlichem Verkehrsgrund bewegt werden soll.

Sicherheitsgurte

Am 1. Januar 1976 wurde in Deutschland die Gurtpflicht eingeführt. Sie galt zunächst nur für die Vordersitze, wo bereits 1972 rund 35 Prozent der Fahrzeuge Gurte installiert hatten. Auf den hinteren Sitzen gab es in vielen Fahrzeugen damals noch gar keine Gurte. Ab Erstzulassungsdatum 1. Januar 1974 ist die ersatzlose Demontage der Sicherheitsgurte nicht zulässig. Laut Definition handelt es sich bei Sicherheitsgurten um eine Kombination aus Gurtbändern mit Verschluss, Verstelleinrichtungen und Befestigungsbeschlägen, die in einem Kraftfahrzeug befestigt werden kann und dazu dient, bei Zusammenstößen die Verletzungsgefahr der Insassen zu verringern.

Das Vorhandensein von Sicherheitsgurten ist nach Erstzulassung wie folgt geregelt:

Erstzulassung Vorschriften für Sicherheitsgurte

  • vor 01.04.1970 keine Vorschrift
  • ab 01.04.1970 Nachrüstpflicht von Dreipunktgurten auf den Außensitzen der ersten Sitzreihe, wenn Gurtverankerungen vorhanden sind
  • ab 01.01.1974 Dreipunktgurte für die Außensitze der ersten Sitzreihe; Gurtverankerungen für alle Sitze außer dem mittleren Rücksitz
  • ab 01.05.1979 Dreipunktgurte für die Außensitze der ersten Sitzreihe; Beckengurte für alle anderen Sitze
  • ab 01.01.1992 Automatik-Dreipunktgurte für alle Außensitze; Beckengurte für alle anderen Sitze
  • ab 01.10.1999 Automatik-Dreipunktgurte für alle Seitensitze; Beckengurte für alle anderen Sitze

Wer jetzt denkt, der Gurtpflicht damit Genüge zu tun, sein Fahrzeug mit einem ordentlichen System aus dem Rennsport auszurüsten, liegt auch hier leider nicht richtig. Die klassischen Hosenträgergurte mit ABE stellen kein Problem dar. Gurtsysteme aus dem Rennsport – so sicher(er) sie auch sein mögen – hingegen schon. Solche lassen sich, wenn überhaupt, nur per Einzelabnahme legal im Fahrzeug verwenden.

Pedale

Für viele Fahrzeuge gibt es werksseitig Pedalauflagen, welche die serienmäßigen Gummiauflagen ersetzen und so für mehr Grip und sportlicheres Flair im Fußraum sorgen sollen. Viele Tuner greifen daher einfach in das Zubehörregal des Herstellers und installieren Auflagen aus bestimmten Ausstattungslinien oder Modellen. Beim Tausch dieser Auflagen muss in der Regel nichts weiter beachtet werden, da es sich um Original- beziehungsweise Austauschteile des Herstellers handelt und diese zulässig sind. Anders verhält es sich mit Zubehör-Pedalauflagen von Fremdherstellern, deren Zulässigkeit nachgewiesen werden muss. Je nach Art der Genehmigung ist gegebenenfalls eine Eintragung nötig. Details können der jeweiligen Genehmigung entnommen werden. Werden neue Pedalauflagen auf vorhandene Pedale geschraubt, müssen diese praktisch immer eingetragen werden. Pedale müssen so beschaffen sein, dass sie jederzeit sicher zu bedienen sind. Vor allem bei Nässe muss gewährleistet sein, dass sie dann ebenfalls ausreichend Halt bieten. Hat das Bremspedal keine rutschhemmende Auflage, gilt die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs als wesentlich beeinträchtigt. Vor allem bei Nässe besteht die Gefahr, dass der Fuß bei einer Gefahrenbremsung vom Pedal rutscht und dadurch wertvoller Anhalteweg verschenkt wird.

Lenkräder

Fahrzeuge müssen leicht lenkbar sein. Die gesamte Lenkanlage muss so beschaffen sein, dass eine sichere Handhabung des Fahrzeugs bis zu seiner bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit gewährleistet ist. Lenkräder müssen eine Typgenehmigung aufweisen und dürfen somit nur dann verbaut werden, wenn sie den Vorschriften entsprechen. Das Lenkrad darf keine scharfen Kanten aufweisen (Krümmungsradius: mindestens 2,5 Millimeter) und muss im Bereich der Aufprallfläche eine stoßabsorbierende Wirkung haben. Wird ein Serien-Volant gegen ein Lenkrad aus dem Zubehörkatalog getauscht, liegt diesem im Idealfall eine ABE bei, und das eigene Fahrzeug ist in der Herstellerliste aufgeführt. Dann reicht es grundsätzlich aus, die ABE mitzuführen. Wichtig ist, dass die Auflagen in der ABE genau eingehalten werden müssen. Wurde für ein bestimmtes Lenkrad eine ABE erteilt, dann bezieht sich diese zumeist immer auf das reifentechnisch serienmäßige Fahrzeug. In der Liste der Auflagen findet sich in diesem Fall ein Hinweis wie „nur zulässig in Verbindung mit der serienmäßigen Rad-/Reifen-Kombination". Weicht ein Fahrzeug hinsichtlich der Rad-/Reifen-Kombination von seinem Serienstand ab, so muss das Lenkrad in Kombination mit den Rädern erneut geprüft und eingetragen werden. Grund hierfür sind Lenkkräfte, die sich innerhalb bestimmter Werte bewegen müssen. Ist das ABE-Lenkrad kleiner als das Serienlenkrad und sind breitere als die Serienräder montiert, müssen zum Lenken spürbar größere Kräfte aufgebracht werden.

Airbag-Pflicht?

Bislang ist das Vorhandensein von Airbags nirgendwo vorgeschrieben, und auch für Neuwagen gibt es keine ECE-Regelung oder EU-Richtlinie, die Airbags zwingend fordern würde. Zum Erlangen der Typgenehmigung müssen neue Fahrzeuge aber strengen Richtlinien zum Insassenschutz entsprechen. Und deren Vorgaben lassen sich eigentlich nur erfüllen, wenn zum Beispiel Airbags vorhanden sind. So gesehen besteht also in der Tat keine direkte Airbag-Pflicht, doch werden diese verbaut, um den Insassenschutz im geforderten Maß erfüllen zu können.

Soll ein Airbag-Lenkrad gegen ein Modell ohne Airbag ausgetauscht werden, ist dies zunächst einmal grundsätzlich möglich. Es muss dann allerdings nachgewiesen werden, dass das Fahrzeug die zum Zeitpunkt der Erlangung der EG-Typgenehmigung geltenden Vorgaben zum Insassenschutz auch ohne Airbag erfüllt. Das ist bei solchen Fahrzeugen denkbar, die es wahlweise mit oder ohne Airbag gab. Für solche Fahrzeuge gibt es sogenannte Rückrüstnaben, die zusammen mit einem Lenkradkranz ohne Airbag montiert werden dürfen. Wie immer sind die Auflagen in der ABE oder dem Teilegutachten einzuhalten und eine geforderte Abnahme und Eintragung des Umbaus unverzüglich erforderlich. Ferner ist zu beachten, dass eine Airbag-Einheit auch immer Pyrotechnik enthält, die für das Auslösen zuständig ist. Aus diesem Grund darf der Ein- und Ausbau von Airbags nur von speziell geschultem Personal vorgenommen werden. Ist der Ausbau erfolgt, müssen alte Airbags vernichtet werden. Ein Weiterverkauf von Airbag-Einheiten ist untersagt. Von kleineren Hürden einmal abgesehen, steht dem „In diesem Auto stirbt man wie ein Mann"-Feeling also nichts im Weg ...

Lichttechnische Einrichtungen im Innenraum

Im Fahrzeuginnenraum dürfen keine lichttechnischen Einrichtungen angebracht werden, die den Fahrer oder andere Verkehrsteilnehmer blenden können. Besitzt die im Innenraum angebrachte Beleuchtung eine Außenwirkung, die auch das Signalbild des Fahrzeugs negativ verändert, kann dies als Erlöschen der Betriebserlaubnis geahndet werden. Werden andere Verkehrsteilnehmer geblendet, gilt die Verkehrssicherheit als wesentlich beeinträchtigt. Es gelten somit die gleichen Vorgaben wie für alle anderen lichttechnischen Einrichtungen auch. Im Allgemeinen werden Beleuchtungseinrichtungen im Inneren von Fahrzeugen jedoch toleriert, vorausgesetzt, diese strahlen nicht nach außen ab und sind während der Fahrt nicht in Betrieb. Blau beleuchtete Lautsprecherringe beispielsweise blenden zwar keine anderen Verkehrsteilnehmer, doch ist eine Außenwirkung klar gegeben. Vor allem zur Nachtzeit kann dadurch – entsprechende Lichtstärke vorausgesetzt – auch das Signalbild negativ beeinträchtigt werden.

Kurz gefasst

Niemand muss sich damit zufriedengeben, seine Zeit hinter dem Lenkrad in einer serienmäßigen Umgebung zu verbringen, die in etwa so viel Freude aufkommen lässt wie ein Stau im Drive-in. Unsere Fahrzeuge werden mit jeder Modellreihe sicherer, und die Zahl der Unfalltoten auf den Straßen ist über die Jahre gesehen rückläufig. Ein gutes Argument dafür, dass es auch in puncto Fahrzeuginnenraum Richtlinien gibt, die umgesetzt und erfüllt werden müssen. Über Sinn und Unsinn mancher Vorschriften mag man streiten können. Fakt ist aber auch, dass es Umbauten gibt, die schlichtweg hirnrissig sind und die jeder bei einem Unfall gerne rückgängig machen würde – etwa den Ausbau von Airbags.