Verrückte Finnen …

Dreißig Jahre ist es jetzt schon her, dass Opel den Vectra A im Jahre 1988 als Nachfolger des Ascona C ins Rennen schickte. Auch das Produktionsende liegt schon über zwanzig Jahre zurück. Genügend Zeit offenbar, um den Bestand nachhaltig zu verringern. Schaut man sich die Entwicklung des Fahrzeugbestands von 2005 bis zum Jahr 2015 an, so gehen die Zahlen rapide in den Keller. In einer Tuning-Szene, in der „Altblech" seit Jahren beliebter wird, spielen solche Statistiken ja normalerweise keine große Rolle. Dennoch macht sich der Vectra A auch in der Szene rar. In Finnland ist dies laut Veli-Matti Martiskainen nicht anders. Glücklicherweise dürfen wir den Spitznamen des Finnen verwenden und ihn in diesem Artikel „Vellu" nennen, was uns und euch die Sache erheblich erleichtert. „Der Vectra A ist beinahe komplett von unseren Straßen verschwunden! Deshalb werde ich meinen Wagen für immer behalten", erzählt er. Sein Wagen ist jedoch nicht nur irgendein „Überlebender" aus der Vectra-A-Ära, sondern der ultimative Vertreter seiner Gattung ...

Vellu wurde quasi zum Opelfahren geboren. „Meine Eltern fahren seit vielen Jahren nur Opel. Ich mochte die Marke schon immer und besaß noch nie ein Fahrzeug eines anderen Herstellers", gibt der Finne zu Protokoll. Seine Eltern besaßen Ende der 1990er-Jahre unter anderem einen Vectra A. „Ich mochte die Optik des Wagens schon immer. Auch, wenn es sich dabei eigentlich um ein langweiliges Familienauto handelt. Mit Ausnahme des V6 und des Turbos natürlich", erklärt Vellu. Also war es auch kein Wunder, dass sein erstes Tuning-Projekt ebenfalls ein Vectra der ersten Generation war. Mit dem 1,8-l-8V-Triebwerk war der Wagen nicht ganz das, was sich Vellu vorstellte. Aber so ist das ja oft mit Erstlingsprojekten. Zwei Jahre nach dem Kauf sorgte Mutter Natur für eine tragische Wendung. Schnee zerstörte den Wagen. Das weiße Pulver war in Massen von einem Garagendach gerutscht und hatte den Vectra unter sich begraben. Ergebnis: Totalschaden. „Da es sich nur um einen Standard-1,8er handelte, ärgerte ich mich nicht allzu sehr", blickt Vellu zurück. Da er ohnehin immer einen V6 besitzen wollte, kam ihm das Unglück offenbar gerade recht. Der Finne fand tatsächlich einen Ersatz-Vectra mit Sechszylindermotor. Dazu noch in Top-Zustand. Jetzt konnte er endlich richtig loslegen ...

„Die finnische Tuning-Szene hat mittlerweile einen sehr hohen Level erreicht. Auch global. Wir haben hohe Standards!", klärt Vellu auf. Nachdem er den V6-Vectra erstanden hatte, beschloss er, etwas Außergewöhnliches daraus zu machen. „Ich dachte darüber nach, etwas zu bauen, was man in Finnland weniger sieht: Ein vollgepacktes Airride-Showcar. Was ich dann schließlich auch tat ..." Stolze neun Jahre sind seitdem vergangen. Damals wurde der Wagen komplett in seine Einzelteile zerlegt und überarbeitet. Vor allem das Thema „Cleaning" wurde großgeschrieben. Selbst unter dem Fahrzeug! Dennoch kamen in den folgenden Jahren immer wieder neue Modifikationen hinzu. Dabei übernahm Vellu so gut wie alles selbst. Bei den Schweißarbeiten gingen ihm Freunde zur Hand, um die Sattlerarbeiten kümmerte sich sein Onkel. Ein Problem bei der Umsetzung seiner Pläne war der Tiefgang des Vectras, der auch nach dem Einbau eines Airride-Fahrwerks nicht so satt ausfiel wie gewünscht. Umfassende Anpassungsarbeiten an Fahrwerk, Achsen und Karosserie brachten schließlich den Durchbruch. „Ich glaube, der Wagen ist jetzt einer der tiefsten Vectras der Welt", freut sich der Finne. Den krönenden Abschluss übernahm schließlich ein Lackierer und tauchte den Ausnahme-Opel in den „Windefire" genannten Candyred-Ton. Erst im Jahr 2017 war der Vectra in Vellus Augen „fertig". Er gewann in seinem Heimatland unzählige Trophäen und wagte sich über den Tellerrand hinaus ...

Dass Vellus Vectra mittlerweile auf einem extrem hohen Level unterwegs war, blieb Sven Schulz als Organisator des „European Tuning Showdowns" nicht verborgen. Er nominierte den Finnen für die Teilnahme am Turnier um die Krone im europäischen Spitzen-Tuning, das jährlich während der Tuning World Bodensee ausgetragen wird. „Damit wurde ein Traum für mich wahr! Die Tage beim ETS waren einige der besten meines Lebens. Zu den Top 64 zu zählen, bedeutet mir sehr viel", schwärmt Vellu. „Die Atmosphäre beim ETS kann man nirgendwo sonst erleben!" Und weil es ihm in Deutschland so gut gefallen hat, kehrt der Finne samt High-End-Showcar schon bald wieder zurück in hiesige Gefilde. Vellu nimmt an der „tuningXperience" in Essen teil. Auf Zukunftspläne angesprochen gibt sich der Opelfahrer aus Finnland unentschlossen und lässt sich alle Optionen offen: „Im Moment bin ich einfach nur überwältigt und glücklich!" Und so soll das ja auch sein ...

Veli-Matti Martiskainen > Opel Vectra A (1993)