NextBase 4K-Dashcam 612GW (2019)

Wie gut ist sie wirklich?

13.02.2019 13:55 Uhr

Text und Fotos: Joshua Hildebrand


Die Dashcam „612GW" vom Hersteller Next Base gehört dank 4K-Auflösung und Touchscreen zur Elite der Autokameras. Wie gut ist sie wirklich? Und braucht man "UHD" überhaupt? Test!

Einen Moment nicht richtig aufgepasst, schon ist's passiert: Der Wagen ist völlig „im Eimer". Beide Unfallbeteiligten waren innerorts auf einer doppelten Linksabbiegerspur seitlich kollidiert. Beide stritten darüber, wer seine Spur verlassen und den Unfall verursacht habe. Doch die Sache hatte einen Haken – oder eine Dashcam. Denn in einem der beteiligten Fahrzeuge lief eine Kamera mit, die den Unfallhergang vor und nach der Kollision aufzeichnete. Der Fall landete vor Gericht, ging durch mehrere Vorinstanzen, die das Beweismittel der Autokamera nicht zulassen wollten, und gelangte schließlich auf den Tisch des Bundesgerichtshofes (BGH). Der BGH ließ diese neue Art des Beweismittels zu. Die Begründung: Wer dauerhaft mitfilmt, begeht zwar einen Datenschutzverstoß. Aus diesem folgt aber nicht automatisch die gerichtliche Unverwertbarkeit, wenn das Video Aufschluss über den Unfallhergang gebe und zur Aufklärung des Falls diene. Seit diesem Tag boomt das Geschäft mit den kleinen Autokameras an der Scheibe oder auf dem Armaturenbrett mehr als jemals zuvor ...

1. Die Dashcam lässt sich einfach an der Frontscheibenhalterung befestigen und auch wieder von ihr abnehmen

2. Die Stromversorgung erfolgt über den 12V-Anschluss im Auto, das Kabel wird an die Halterung, nicht an die Kamera, angeschlossen

3. Das Gerät erkennt beim Starten des Motors die veränderte Stromspannung am 12V-Anschluss und starte automatisch mit der Aufnahme

High End für 300 Euro

Es gibt inzwischen unfassbar viele Anwendungen auf dem Markt – das Angebot reicht von einfachen Kameras ohne viel Schnickschnack für rund 20 Euro bis hin zu High-End-Cams mit hoher Auflösung und Top-Ausstattung für 300 Euro. Als Flaggschiff der Autokameras könnte man auch die von uns getestete Dashcam namens „612GW" des britischen Herstellers Next Base titulieren. Denn sie bietet nicht nur ein 7,6 Zentimeter großes Touchdisplay und WLAN, sondern – jetzt kommt das Entscheidende – sie nimmt Videos sogar in 4K auf (3840 x 2160 Pixel). Eines vorweg: In diesem Testkriterium machte die teure Dashcam für stolze 300 Euro eine gute Figur.

Angebracht wird die Autokamera mithilfe der mitgelieferten Klebe- und/oder Saugnapf-Halterung. Je nachdem, wie oft sie ihren Einsatzort ändert, kann entsprechend aus beiden Halterungen gewählt werden. Negativ-Punkt: Im Vergleich zur wertigen Optik und Haptik der Kamera sieht die Halterung mit schwenkbarem Kugelzapfen nicht nur billig aus, sie fühlt sich auch etwas wackelig an. Zudem lässt sich die Kamera auch dann noch bewegen, wenn die Arretierung ganz fest angezogen ist. Nervig: Wer die Kamera permanent in Benutzung hat, der kommt um den Anschluss des mitgelieferten 12-Volt-Adapters nicht herum. Dann muss das Kabel etwas unschön und fummelig verlegt werden – Hersteller Next Base empfiehlt dabei den Weg über den Dachhimmel und den Seitenholm, wo man das Kabel verstecken kann. Wer das machen möchte, hat zumindest zwei Vorteile: eine permanente Stromversorgung sowie das automatische Filmen, denn die Kamera erkennt die erhöhte Spannung, sobald der Motor gestartet wird.

Gute Bedienbarkeit, Abzug bei der WLAN-Funktion

Die Menüführung der Kamera ist logisch und leicht verständlich. Die Bedienung über den 6,6 x 3,7 Zentimeter großen Touchscreen funktioniert gut, auch wenn er teilweise leicht verzögert auf Befehle reagiert. Das angezeigte Bild spiegelt dabei natürlich nicht die wirkliche Qualität der hochwertigen Aufnahmen wider. Das richtige Potenzial der Kamera mit sogenanntem „Sony-Exmor-R"-Sensor wird erst am Computer oder Fernseher sichtbar, denn die „612GW" besitzt einen HDMI-Port, über den man sie direkt an den Fernseher anschließen kann. Dann sieht man, wie detailreich und farbenfroh die Aufnahmen sind. Und selbst bei Dämmerung oder Dunkelheit – die Schwäche der meisten Dashcams – kam das Bild zwar etwas „matschig" und leicht grieselig herüber, wichtige Merkmale wie Schilder oder Kennzeichen ließen sich aber dennoch sehr gut erkennen. Übrigens hört man dann auch etwas, denn die Kamera nimmt den Umgebungston zwar nicht in Kino-, aber zumindest in verwertbarer Qualität auf. Was gefällt: Nutzer können die „612GW" auch mit dem Smartphone steuern. Alles, was es dazu braucht, ist die kostenfreie App namens „Cam Viewer". Hier erhält man leicht verzögert und leider nicht ganz ruckelfrei das Livebild der Dashcam auf dem Smartphone angezeigt. Dazu lassen sich die Aufnahmen direkt auf dem Handy speichern oder abrufen – praktisch. Jedoch schien die App in unserem Test nicht ganz stabil zu laufen, weshalb wir sie mehrere Male schließen und neu starten mussten.

Aufnahmen als "Loops"

Dashcams seien jetzt erlaubt, interpretieren viele das BGH-Urteil von Mitte Mai. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn das anlasslose Dauerfilmen ist nach wie vor strengstens untersagt. Deshalb werden die Aufnahmen bei der „612GW" von Next Base in einzelnen Sequenzen, auch Loops genannt, gespeichert. Die Länge der einzelnen Videos kann zwischen einer und fünf Minuten gewählt werden. Erst wenn die Micro-SD-Speicherkarte, die übrigens nur sehr fummelig an der Seite eingesteckt werden kann, voll ist, werden die vorherigen Dateien überschrieben. Es sei denn, man drückt das rote Ausrufezeichen direkt an der Kamera. Dann wird das Video umgehend gesichert und in einen schreibgeschützten Ordner verschoben. Normalerweise sollte die Dashcam dank G-Sensor auch von selbst merken, wenn es zu einem Unfall gekommen ist. Anzeichen hierfür wären etwa das abrupte Abbremsen oder starke Vibrationen. Leider funktionierte dies nicht wirklich zuverlässig, denn auch mehrere Vollbremsungen aus 100 km/h inklusive ruckartiger Lenkbewegungen führten nicht dazu, dass eine Aufnahme gesondert gespeichert worden wäre – hier bitte nachbessern.

Innovative Software

Wer Teil eines Ernstfalls geworden ist, wird froh darüber sein, dass er Aufnahmen vom Unfall gemacht hat. Für solche Fälle legt Next Base die Software „Replay 3" für PC und Mac dazu, die es erlaubt, wichtige Daten wie GPS-Koordinaten, Geschwindigkeit, G-Kräfte und die gefahrene Wegstrecke über die im Programm integrierte Google-Maps-Karte zu verfolgen. Letzteres funktioniert aber nur, wenn die Dashcam zum Zeitpunkt der Aufnahme auch ein GPS-Signal hatte. Ein Verbindungsaufbau kann unter Umständen eine Weile dauern, in langen Tunneln geht zumeist gar nichts. Das Problem: Wo kein Signal ist, werden auch keine Zusatzinformationen aufgezeichnet. Aber wie sagt man so schön: Bilder sagen mehr als Tausende Worte – und die sind wirklich top!

WERTUNG
★★★☆☆

(3 von 5 Sternen)

Die „612GW" von Next Base zählt nicht ohne Grund zu den High-End-Dashcams auf dem Markt. Sie bietet dank 4K-Kamera und Polarisationsfilter eine wirklich hohe Aufnahmequalität, selbst bei Dunkelheit. Hinzu kommen die leichte und logische Bedienbarkeit via Touchscreen und eine gute Ausstattung. Dem gegenüber stehen eine billig wirkende Halterung, das unschöne Stromkabel, das für einen Dauerbetrieb hinter den Innenraumverkleidungen verlegt werden muss, der teilweise lahme Touchscreen sowie regelmäßige Ausfälle beim GPS-Signal. Auf die Frage, ob man 4K tatsächloch braucht, können wir den Kopf schütten. Auch, wenn die Auflösung besser ist, kommt es eher darauf an, dass sie auch bei Dunkelheit zuverlässig filmt und Kennzeichen erkennt. Gute HD-Cams gibt es bereits für weniger als die Hälfte …

PRO CONTRA
4K-Auflösung mit guten Kontrastwerten ... ... grieselt bei Dunkelheit etwas
Gute Verarbeitung ... ... bis auf die Kunststoffhalterung
Integrierter Akku ... ... der nicht wirklich lange hält ... der nicht wirklich lange hält
Touchscreen ... ... reagiert teilweise etwas lahm
GPS ... ... mit regelmäßigen Aussetzern
Umfangreiche Ausstattung (G-Sensor, Polarisationsfilter, WLAN, HDMI-Ausgang etc.) unschöne Stromkabel-Lösung
Analyse-Software „Replay 3" recht hoher Preis