VW up! GTI

Verdient er die drei "heiligen" Buchstaben?

04.02.2019 10:58 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Jan Bürgermeister


Was ging für ein Aufschrei durch die Reaktion, als VW den up! als GTI ankündigt hat. Drei Zylinder und 115 PS sollen den hohen Erwartungen der drei traditionsreichen Initialen gerecht werden? Wir waren skeptisch ...

„Kraftpaket im Kleinformat", so beschreibt Volkswagen den bisher kleinsten GTI im up!-Gewand. Er soll zudem an den legendären Golf 1 GTI erinnern – bitte, was? Für uns ist er wohl eher der Nachfolger des ebenso kleinen, bösen Wolfs namens Lupo GTI, der von 1999 bis einschließlich 2005 vom Band lief. Erster Kritikpunkt: Der war und ist noch heute mit 125 PS aus einem saugenden 1,6-Liter-Vierzylinder stärker als der up! GTI, scheiterte damals aber an der geplanten Verkaufsvorgabe von 5.000 Einheiten pro Jahr. Insgesamt konnten die Wolfsburger nur 6.370 Stück an den Mann bringen, davon kamen nur 1.580 Exemplare nach Deutschland. Eigentlich unverständlich, denn der Lupo war besser als sein Ruf. Er war auf Leichtigkeit getrimmt und wurde zu großen Teilen aus Aluminium gefertigt, was nur 975 Kilogramm Leergewicht und ein Leistungsgewicht von 8,1 Kilogramm pro PS zur Folge hatte. Was der up! jetzt genau besser machen soll? Das auf 1.070 Kilo gestiegene Wohlstandsgewicht ist jedenfalls kein Fortschritt.

Anderer Ansatz

Während der Lupo GTI damals eben auf Aluteile und eine hochwertige Ausstattung wie Xenon setzte und dank einer langen ESP-Leine auch für kundige Sportfahrer interessant war, ist unser Baby-GTI heute mit turboaufgeladenem 999-ccm-Dreizylinder-Motörchen (EA211) wohl kein „up!grade" des damals sportlichsten Straßen-Lupos. 8,3 Sekunden (Lupo GTI) versus 8,8 Sekunden (up! GTI) im Duell von null auf 100 km/h sprechen für sich – rund 15 Jahre später, wohl gemerkt! Trotzdem hat der up! alle Insignien, die für die sportlichen Ambitionen sprechen: den roten Grill? Hat er! Einen Dachkantenspoiler? Hat er! Große 17-Zöller inklusive roter Bremssättel? Hat er auch! Sogar auf den schwarz glänzenden Look der Front- und Heckschürze, des Dachs, der Heckschürze und die schwarzen, an der Seite aufgeklebten „Rennstreifen" wie beim GTI Clubsport muss nicht verzichtet werden. Schön anzuschauen ist vor allem das Heck mit der Heckklappe aus dunklem Glas inklusive rotem GTI-Streifen und dem in der Größe genau richtigen Chrom-Endrohr der Abgasanlage. Optisch macht der kleine Niedersachse eine gute Figur, wenngleich er noch lange nicht den Krawallbruder mimt. Muss er aber auch nicht, das machen andere.

Mit Otto-Partikelfilter

Ja, ist okay. Wir sehen es langsam ein und beschweren uns nicht mehr. Aufhalten können wir den Downsizing-Wahn ohnehin nicht mehr. Für eine doch sehr stark in Richtung Tuning orientierte Redaktion könnten wir aus Trotz die Füße auf den Schreibtisch legen und noch auf den up! GTE warten. Doch wer weiß schon, ob es ihn überhaupt jemals geben wird. Wundern tut uns auf jeden Fall gar nichts mehr. Ein Motor, der so viel Hubraum hat wie drei Tannenzäpfle (unser Feierabendbier, Anm. d. Redaktion), kann uns nur schwer in einen Rausch versetzen. Auch wenn er künstlich aufgeblasen wird und sein maximales Drehmoment von 200 Newtonmetern bereits ab 2.000 Umdrehungen abrufen kann. Übrigens ist der hier verbaute Motor der allererste, bei welchem der Verbrauch nach dem neuem WLTP-Standard zertifiziert ist und somit die neue Abgasnorm Euro 6d Temp erfüllt – schaffen tut er das aber nur wegen des verbauten Otto-Partikelfilters im Abgastrakt, welcher in Zukunft in immer mehr Modellen verbaut werden wird. Das erhöht dann aber nicht nur den Abgasgegendruck, sondern auch das Fahrzeuggewicht. Andere Turbolader-Schaufeln sowie eine neue Hochdruck-Einspritzpumpe sollen es richten und den Verbrauch auf unter sechs Liter pro 100 Kilometer drücken. Klingt ehrlich, denn unser Testverbrauch lag mit scharfem Gasfuß bei 7,4 Litern – unser Fotograf trinkt mehr.

Der Sound ist „Fake"

Eben sprachen wir noch von Vorurteilen. Zum Glück haben sich diese nicht wirklich bestätigt, denn das Gesamtkonstrukt aus Motor, Sechsgang-Schaltgetriebe und Antriebseinheit passt zum spritzigen up!, auch wenn es für uns eher ein City-Flitzer bleibt. Was nicht heißt, dass er nichts für die Autobahn ist. Nein, nein. Mit knappen 200 km/h Spitze haben uns schon so einige Rechtsfahrer blöd angeschaut – das ist irgendwie cool. Dennoch mag sich nicht so recht das typische GTI-Feeling einstellen. Ein Tritt auf das Gaspedal hat ein synthetisch wirkendes Knurren zur Folge, was von einem Sound-Aktuator in Nähe zur Frontscheibe künstlich erzeugt wird. Doch wer möchte das? Spätestens, wenn man feststellt, dass dieser Klang „Fake" ist und außen eigentlich nur das Dreizylinder-Nageln zu hören ist, ist's irgendwie peinlich. Wir akzeptieren es: Wegen des Klangs wird keiner gucken. Ehrlich währt länger. Unsere Meinung.

Das Fahrwerk reißt's raus

Wir machen es kurz: Was die Antriebseinheit angeht, hat der up! das GTI-Emblem unserer Meinung nach nicht verdient. Passender wäre die Bezeichnung „GT" oder ein Vierzylinder mit 150 PS – mindestens. Von der Kritik ausgenommen ist das Fahrwerk, auch wenn es ohne Vorderachssperre auskommen muss. Dennoch: Dieses hat seitens der VW-Ingenieure stärkere Stabilisatoren, stärkere Dämpfer und neue Domlager erhalten. Insgesamt erhält der GTI acht Millimeter mehr Spurweite und 15 Millimeter weniger Bodenfreiheit. Das ergibt zusammen mit dem kurzen Radstand von 2,42 Metern ein knackiges Handling mit erstaunlich nachsichtigem Fahrwerk und recht wenig Wank- und Rollbewegungen der Karosserie. Was sich anfühlt wie ein GTI im Hosentaschen-Format, unterstreicht auch der schmucke Innenraum. Dort spannt sich Stoff im klassischen Karomuster „Clark" über die bequemen Sitze mit wenig Seitenhalt. Darüber hinaus gibt es ein Armaturenbrett im Pixel-Design mit indirekter Ambientebeleuchtung, das typisch abgeflachte GTI-Lederlenkrad, eine feste Handy-Halterung zum Nutzen des Smartphones als Navigationsgerät und viel Platz. Das alles gibt es ab 16.975 Euro. Vereinfacht gesagt: halb so viel PS wie ein aktueller Golf GTI, dafür auch nur halb so teuer.

KURZ GEFASST: „GT wäre treffender" 

Wertung: 3,4 (von 5)

Diese Form des urbanen GTI-Chics passt gut in den modernen Lifestyle. Der sportlichste aller up! ist klein, praktisch, flitzig und recht sparsam. Dennoch tun wir uns schwer, den neuesten GTI-Zugang zu akzeptieren. Das mag zum einen am recht emotionslosen Dreizylinder mit gefaktem Sound liegen, zum anderen an der Gewohnheit des Menschen. GTI bleibt Golf. Und zwar mit mindestens vier Zylindern. Basta! Auch wenn sich der „Top-up!" objektiv gesehen keine wirklichen Schwächen leistet.

Einzelwertung: jeweils maximal 5 Punkte

ANTRIEB 2,5
FAHRLEISTUNG 3
BREMSE 3,5
HANDLING 3,5
SPASSFAKTOR 3,5
ALLTAG 4
QUALITÄTSANMUTUNG 4
PREIS-LEISTUNG 3,5

DATEN & FAKTEN 

VW up! GTI (2018)

MOTOR Dreizylinder-Turbomotor (EA211) mit 999 ccm Hubraum; Ottopartikelfilter; 115 PS und 200 Nm Drehmoment (bei 2.000 U/min)
KAROSSERIE Weiße Außenlackierung mit schwarzem Dach („pure white black", optional erhältlich)
FAHRWERK Sportfahrwerk mit 15 Millimetern Tieferlegung ab Werk
GETRIEBE Sechsgang-Schaltgetriebe
REIFEN/FELGEN schwarze Leichtmetallräder „Brands Hatch" in 6,5 J x 17; Oberfläche glanzgedreht
INTERIEUR Klimaanlage „Climatronic"; Sitze mit Clark-Stoff bezogen; GTI-Sport-Lederlenkrad; Ambientebeleuchtung in Rot
CAR-HIFI Digitaler Radioempfang DAB+; Smartphonenabindung über Bluetooth; Soundsystem „beats" mit 6 Lautsprechern, digitalem 8-Kanal-Verstärker und Subwoofer (300 Watt Gesamtleistung)
GEWICHT 1.070 Kilogramm (Leergewicht)
FAHRLEISTUNG 0 – 100 km/h in 8,8 Sekunden; Vmax 196 km/h
VERBRAUCH 4,8 Liter kombiniert (Herstellerangabe); 7,4 Liter kombinierter Testverbrauch der Redaktion
GRUNDPREIS 16.975 Euro; Testwagenpreis: 19.165 Euro