Erster Blitzer-Bulli (2019)

Der einzige Blitzer, der viele Fans hat

14.02.2019 02:05 Uhr

Text: Joshua Hildebrand | Fotos: Volkswagen Nutzfahrzeuge


Ein seltener Bulli-Fund ist jetzt wichtiger Bestandteil der Oldtimersammlung von Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover geworden: Der erste Bulli, der als 
Radarblitzer zu Schulungszwecken der Polizei in Niedersachsen im Einsatz war. Der 66 Jahre alte T1 stand über 54 Jahre weitgehend unbeachtet in Scheunen und Garagen. Sein Radar-Messprinzip von damals ist noch heute der Schrecken vieler Autofahrer …

Das Fahrzeug (Bj. 1953, Tachostand: 65.144 Kilometer, 18 kW/25 PS, damaliger Neupreis 6.750 DM) wurde von der Polizei-Beschaffungsstelle Niedersachsen erworben. Nach seinem Einsatz für die Polizei Hannover wurden von 1961 bis 1964 damit Polizisten für den Umgang mit mobilen Radarmessungen geschult. Polizei-Mitarbeiter der „Ausbildungsstelle für Technik und Verkehr" installierten in das Heck des blauen Fahrzeugs ein Blitzgerät, das mit einer Verschlussklappe getarnt war. Die Radaranlage selbst war im Innenraum untergebracht. Hier werteten Beamte an einem kleinen Schreibtisch die ermittelten Daten aus. Bis zur Einführung der Radarmessung in Deutschland vor 60 Jahren wurden Geschwindigkeitsübertretungen noch mit Stoppuhren ermittelt. Die erste offizielle
Radarmessung fand am 15. Februar 1959 in Nordrhein-Westfalen an einem Straßenabschnitt zwischen Düsseldorf und Ratingen statt.

1964 ging er in Privatbesitz über

Doch warum wurde die Geschwindigkeitsüberwachung nötig? Das Auto war Anfang der Fünfzigerjahre ein Statussymbol in der Bundesrepublik und der Straßenverkehr entwickelte sich rasant. Ende 1952 hob der Bundestag die Straßenverkehrsordnung aus den Dreißigerjahren auf, in der die Geschwindigkeit in Ortschaften auf 40 Stundenkilometer begrenzt worden war. Das bedeutete, es gab keine Geschwindigkeitsbegrenzung für Pkw und Motorräder mehr. Erst 1957 wurde die Straßenverkehrsordnung wieder geändert und innerhalb geschlossener Ortschaften die Geschwindigkeit auf 50 Kilometer je Stunde begrenzt. Mit der wachsenden Zahl an Fahrzeugen auf den Straßen, ging auch die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland ständig nach oben: 1953 wurden 11.449 Verkehrstote in ganz Deutschland gezählt, im Jahr 1961 waren es schon 14.543. Zum Vergleich: 2017 waren es 3.177 Tote. Deshalb musste etwas her, was den Verkehr überwacht: Einsatz für den Blitzer-Bulli!

Heinz Scholze (89), damals Polizeihauptwachtmeister, war Teilnehmer des „2. Radarlehrgangs" 1961 in Niedersachsen: „Das war absolutes Neuland – für die Verkehrsteilnehmer und für uns. Wir hatten mit dieser neuen Technik ja überhaupt keine Erfahrung. Deshalb wurden wir mehrere Wochen geschult." Für Einbau und Wartung der Telefunken-Anlagen Typ „VRG2-Verkehrsradargerät " war damals Polizeihauptmeister Dieter Dell (79) verantwortlich: „Das war technisch ziemlich aufwändig, alles in den Bulli unterzubringen und zu verkabeln. Das Blitzgerät im Heck tarnten wir durch eine Klappe in Wagenfarbe." 1964 meldete die Polizei den Bulli ab, er ging in Privatbesitz über. Der Blitzer-Bulli landete in Garagen und Scheunen. Der letzte Eigentümer, ein Kfz-Meister aus Hannover, stellte ihn in seine Garage im Stadtteil Badenstedt. Das Fahrzeug stand hier zwar vor Witterungseinflüssen geschützt – blieb aber jahrelang weitgehend
unbeachtet.

Mit Absicht nicht restauriert 

Aus Zeitmangel fand eine geplante Restaurierung nie statt, und so landete das Fahrzeug bei Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer (VWNO) im nahegelegenen Stadtteil Hannover-Limmer. Die Fahrzeug-Experten ließen das Fundstück überwiegend im Originalzustand, ergänzten es um fehlende, zeitgenössische Ausstattungsdetails (z.B. Mobiliar). Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig, die übrigens am 2. Dezember 1958 die Radar-Messtechnik freigab, hat sogar noch die passende Radaranlage im Bestand. Tobias Twele (Projektleiter VWNO): „Es ist eine große Freude, diesen seltenen Bulli nun in unserer Sammlung zu haben und ihn auch der Öffentlichkeit vorzustellen. Dieser Transporter der ersten Generation beeindruckt mit seiner besonderen Geschichte und seinem authentischen Zustand." Und mit echter Bulli-Qualität: Nach dem Einbau einer neuen Starterbatterie und einem Motor­ölwechsel sprang der Motor sofort wieder an – trotz 54-jähriger Standzeit.